Es sind unglaubliche Zahlen: Um mindestens 71 Millionen Euro sollen sich Top-Fifa-Funktionäre um Joseph Blatter bereichert haben. Das geht aus Untersuchungen einer Kanzlei hervor.
Die Aufklärung des kriminellen Fifa-Systems sorgt für weitere spektakuläre Enthüllungen. Nachdem am Donnerstag die Schweizer Bundesanwaltschaft das Hauptquartier des Fußball-Weltverbandes und besonders das Büro des vor wenigen Tagen entlassenen Interim-Generalsekretärs Markus Kattner durchsuchte hatte, ging die Fifa am Freitag in die Offensive.
Zwei Anwälte der Kanzlei Quinn Emanuel Urquhart & Sullivan, die seit Mitte 2015 die den Weltverband quasi unter Zwangsverwaltung hat, gaben auf einer Telefonkonferenz atemraubende Zahlen bekannt: Allein in den vergangenen fünf Jahren haben demnach der langjährige Präsident Joseph Blatter (Schweiz), Generalsekretär Jérôme Valcke (Frankreich) und Finanzchef Markus Kattner (Deutschland/Schweiz) mindestens 79 Millionen Schweizer Franken kassiert. Diese Zahl könnte sich nach weiteren Ermittlungen durchaus erhöhen, erklärten die Anwälte William Burck (USA) und Thomas Wehrlen (Schweiz). Die Unterlagen seien der Schweizer Bundesanwaltschaft und dem US-Justizministerium übergeben worden.Die von den Anwälten präsentierten Unterlagen beschreiben die Fifa-Führung als kriminellen Selbstbedienungsladen. Demnach hat sich die Führungscrew untereinander die Verträge zugeschanzt, unterschrieben und gleichzeitig als höchste Instanz abgesegnet. Beteiligt waren laut den Dokumenten der langjährige, inzwischen verstorbene Finanzchef Julio Grondona aus Argentinien und Issa Hayatou aus Kamerun, der die Fifa nach der Sperre von Blatter vom Herbst 2015 bis 2016 übergangsweise geführt hatte.
In Erklärungsnot gerät aber auch der im Mai zurückgetretene Chef der Compliance-Kommission, Domenico Scala (Schweiz). Denn Scala war Ende Mai 2015 daran beteiligt, dem nunmehr entlassenen Kattner den Arbeitsvertrag von 2019 bis 2013 zu verlängern. Dies geschah nur vier Tage nach den ersten spektakulären Verhaftungen in Zürich und in den USA - und zwei Tage nach der dubiosen Wiederwahl von Joseph Blatter. Am 30. Mai 2015, nur eine Nacht nach Blatters Sieg gegen den Herausforderer Prinz Ali, genehmigten Hayatou und Valcke ausweislich der Unterlagen ihrem Freund Blatter einen neuen Vertrag: Drei Millionen Franken Jahresgehalt zuzüglich Bonus von maximal 1,5 Millionen jährlich - und als Krönung maximal weitere zwölf Millionen zum Ende der vierjährigen Amtszeit. Blatter wäre also von 2015 bis 2019 auf Einnahmen von 30 Millionen Franken gekommen.
Atemraubend sind auch die Boni, die sich Blatter, Valcke und Kattner für Fußball-Weltmeisterschaften genehmigt haben sollen - teilweise wurden die Verträge laut den nun veröffentlichten Unterlagen erst nach Turnieren unterschrieben. Für die WM in Südafrika kassierte Blatter demnach eine Prämie von 11 Millionen Franken, Valcke kassierte 9 Millionen, Kattner drei Millionen. Laut denn Anwälten unterschrieb Blatter die Auszahlung für Valcke, Blatter und Valcke unterschrieben die Zahlung an Kattner, Valcke und Grondona unterschrieben für Blatters Bonus. So ging das über Jahre in einem fort. Die WM-Prämien für Südafrika, so erklärten die Anwälte, seien möglicherweise sogar ohne vertragliche Grundlage gezahlt worden. Die internen Ermittlungen dauern an, strafrechtliche Ermittlungen beginnen erst.
Für die WM 2014 in Brasilien kassierte Valcke nach den Unterlagen einen Bonus von 10 Millionen, Blatter 12 Millionen und Kattner vier Millionen. Für die WM 2018 in Russland sollen Blatter und Grondona am 10. Juni 2014 weitere 11 Millionen für Valcke und 4,5 Millionen für Kattner genehmigt haben. Ab 2013 wurden laut Unterlagen derlei Zusatzvereinbarungen von der Vergütungskommission um Scala abgesegnet. In den Jahren zuvor entzogen sich diese Abmachungen oftmals einer Prüfung durch die juristische Abteilung.