Hätten Therapeuten den Vater des Amokläufers von Winnenden warnen müssen? Ja, meinte der Mann - und zog vor Gericht. Dort hat er nun eine Niederlage erlitten.
Jörg K., Vater des Amokläufers von Winnenden, ist mit seiner Klage gegen das Zentrum für Psychiatrie Weinsberg und dessen Mitarbeiter gescheitert. Das Landgericht Heilbronn hat die Klage des ehemaligen Unternehmers abgewiesen.
Der Entscheidung zufolge sind die Klinik und deren Mitarbeiter in dem Fall nicht haftbar. Jörg K. hatte geltend gemacht, bei der Behandlung seines Sohnes in der Einrichtung 2008 sei es zu Behandlungsfehlern gekommen, die mitursächlich für die Tat gewesen seien.Deshalb sollten die Klinik-Mitarbeiter der Klage zufolge die Hälfte des Schadensersatzes übernehmen, den Jörg K. an Opfer, Hinterbliebene, die Stadt Winnenden und die Unfallkasse Baden-Württemberg zahlen muss. Das Landgericht taxierte diese Summe auf vier Millionen Euro.
Die Experten hätten die Gefährlichkeit des 17-Jährigen erkennen und ihn vor seinem Sohn warnen müssen, argumentierte der Vater. Ein Gutachter hielt bei der Verhandlung entgegen: Es gebe keine denkbare Diagnose, die eine solche Tat auch nur ahnen lasse.
Das Landgericht Heilbronn befand nun, in der Klinik seien zwar Behandlungsfehler gemacht worden, etwa bei der falschen Auswertung eines Persönlichkeitstests. Beim ersten Gespräch habe Tim K. Wut und Hass auf die Menschheit zum Ausdruck gebracht und erklärt, er habe oft Gedanken, "andere umbringen zu wollen". Auch von "alle erschießen" sei die Rede gewesen. Laut Gericht fragten die Therapeuten nicht ausreichend nach, insbesondere nach dem Zugang zu Waffen.
Das Gericht folgte aber Jörg K.s Argumentation nicht, wonach die Behandlungsfehler Mitursache des Amoklaufes gewesen seien. Es sei ungewiss, ob die Gefahr bei einer fehlerfreien Behandlung hätte erkannt werden können. Und es lasse sich nicht einschätzen, was bei einer intensiveren Befragung herausgekommen wäre - es habe keine konkreten Ankündigungen für eine Tat gegeben. Zudem habe Tim K. bei späteren Gesprächen seine Aussagen korrigiert.
Mehrere Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen aus dem Amoklauf sind bereits beglichen: Zwei Millionen Euro flossen von der Versicherung des Vaters an mehr als 30 Opfer und Hinterbliebene, 400.000 Euro an die Stadt. Forderungen der Unfallkasse für Heilbehandlungen von Schülern, Eltern und Lehrern über knapp eine Million Euro stehen noch aus.Tim K. hatte am 11. März 2009 an seiner ehemaligen Schule in Winnenden und auf der Flucht im nahe gelegenen Wendlingen 15 Menschen und sich selbst erschossen. Die Tatwaffe hatte der Vater, ein Sportschütze, im Kleiderschrank aufbewahrt. Der Mann wurde später vom Landgericht Stuttgart wegen 15-facher fahrlässiger Tötung zu einer 18-monatigen Bewährungsstrafe verurteilt.
Az.: 1 O 220/12 Ri