Spanien und Portugal verfehlen seit Jahren das Defizitziel der EU. Statt Strafzahlungen zu verhängen, fährt die Europäische Kommission einen weichen Kurs.
Direkte Strafen gegen Spanien, Portugal und anderen Defizitsünder wird es erst einmal nicht geben. Stattdessen sollen die Krisenländer nach Willen der Europäischen Kommission weiter Spielraum erhalten, ihre Haushalte selber an die EU-Vorgaben anzupassen. Die erlaubte staatliche Neuverschuldung für alle Mitglieder der europäischen Währungsunion liegt bei drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP).
Entgegen einiger Erwartungen verzichtet die Kommission somit darauf, die laufenden Defizitverfahren gegen Spanien und Portugal zu verschärfen. Anfang Juli will die Behörde erneut über die Lage beraten. Sie legt den Regierungen in Madrid und Lissabon zusätzliche Sparmaßnahmen nahe, um die Budgets zu sanieren.Beide Krisenländer hatten im vergangenen Jahr erneut gegen die Haushaltsvorgaben verstoßen: Spanien verfehlte 2015 mit 5,1 Prozent sein Defizitziel deutlich und dürfte es auch im laufenden Jahr nicht schaffen, das Maastrichter Kriterium einzuhalten. Portugal bekam seine Neuverschuldung im vergangenen Jahr mit 4,4 Prozent der Wirtschaftsleistung nicht in den Griff.
In ihrer Frühjahrsprognose geht die EU-Kommission davon aus, dass Spanien die von der EU aufgelegte Latte für das Haushaltsdefizit auch dieses Jahr mit 3,9 Prozent der Wirtschaftsleistung klar reißen wird. Auch 2017 werde das Minus mit 3,1 Prozent über dem von der EU erlaubten Wert von drei Prozent liegen.
Entscheidung erst nach Neuwahl in Spanien
Noch in der vergangenen Woche gingen Beobachter davon aus, dass es eine breite Übereinstimmung gebe, die Defizitverfahren voranzutreiben. Spanien droht letztlich ein Strafgeld von bis zu zwei Milliarden Euro, bei Portugal sind es bis zu 360 Millionen Euro.Angesichts der im Juni anstehenden Neuwahlen hatte Spaniens konservativer Regierungschef Mariano Rajoy laut Medienberichten darum gebeten, keine Sanktionen zu verhängen. Zwar hatte die konservative Volkspartei Partido Popular (PP) des seitdem geschäftsführenden Ministerpräsidenten Rajoy die Wahlen im Dezember mit 28,7 Prozent gewonnen, die absolute Mehrheit aber verloren. Um erneut eine Regierung zu bilden, fand er keinen Bündnispartner.
Der europäische Stabilitätspakt strebt nahezu ausgeglichene Haushalte der EU-Mitgliedstaaten an. Erlaubt ist ein Defizit von maximal drei Prozent der Wirtschaftsleistung. Wird diese Grenze überschritten, kann die EU-Kommission ein Defizitverfahren einleiten und der Rat der EU-Finanzminister Sanktionen verhängen. Seit einer Änderung von 2011 können Defizitsünder schneller bestraft werden: Wird die Obergrenze bei der Neuverschuldung verletzt, wird automatisch ein Defizitverfahren ausgelöst.