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Drohungen gegen Parlamentarier: Abgeordnete verlangen klare Worte Richtung Türkei

mercredi 8 juin 2016

Bundestagsabgeordnete während der Armenien-Debatte

Bundestagsabgeordnete während der Armenien-Debatte

Nach der Armenien-Resolution werden deutsche Abgeordnete von türkischer Seite bedroht. Die Kanzlerin äußert sich zurückhaltend - das sorgt im Bundestag für Verstimmung.

Wenig Zeit? Am Textende gibt's eine Zusammenfassung.


Eines war den meisten Abgeordneten klar: Die Armenien-Resolution des Bundestags würde den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan erzürnen. Der starke Mann in Ankara beherrscht die Klaviatur der Drohungen und Diffamierungen. Wie weit würde Erdogan diesmal gehen?

Sehr weit, wie die Abgeordneten jetzt wissen.

Türkischstämmige deutsche Parlamentarier bezeichnete Erdogan als verlängerten Arm der verbotenen kurdischen PKK, er zweifelte ihre türkische Herkunft an und forderte gar einen Bluttest. Es sind derbe Worte. Am Mittwoch legte Erdogans Sprecher nach: Er kündigte einen "Aktionsplan" gegen Deutschland an.

Die Kanzlerin reagierte auf ihre Art, mit einer sehr nüchternen Formulierung: Die Parlamentarier seien "frei gewählte Abgeordnete, ausnahmslos, und die Vorwürfe und die Aussagen, die da jetzt gemacht werden von der türkischen Seite, halte ich für nicht nachvollziehbar", so Angela Merkel am Dienstag.

Der zurückhaltende Satz löst nun bei vielen Abgeordneten im Bundestag Unmut und Ärger aus. "Nicht nachvollziehbar", das sind natürlich zwei Worte aus der hohen Schule der Diplomatie. Die Abgeordneten wissen, unter welchem Druck die Kanzlerin steht, wie sehr sie auf das Flüchtlingsabkommen mit Erdogan angewiesen ist. Aber "nicht nachvollziehbar" - ist das nicht doch ein bisschen zu schwach?

Erkennbar ist: Vonseiten der Regierung will man den Konflikt begrenzen. Am Dienstag war der Geschäftsträger der Türkei (der Botschafter war am Tag nach der Abstimmung von Ankara abgezogen worden) ins Auswärtige Amt zum "Gespräch" gebeten worden, man hob die traditionell engen und vertrauensvollen Beziehungen hervor und erklärte ihm, die jüngsten Äußerungen gegenüber deutschen Parlamentariern stünden damit nicht in Einklang. Sie würden, so wurde das ausgedrückt, mit "Unverständnis" aufgenommen.

Die zurückhaltende Linie der Bundesregierung wird in der Opposition scharf kritisiert. "Da sind deutlich klarere Worte angesagt", empört sich Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin Britta Haßelmann. Merkel habe "erst mal zwei Tage lang ihren Regierungssprecher vorgeschickt", bevor sie sich persönlich äußerte. Für die schwache Reaktion der Kanzlerin habe die Grünen-Fraktion "wirklich kein Verständnis", so Haßelmann. "Wir erwarten eine eindeutige Zurückweisung", sagt sie.

In der Großen Koalition tun sie sich mit Kritik an der Kanzlerin schwerer. Die Äußerungen Erdogans, sagt der SPD-Außenpolitiker Niels Annen zu SPIEGEL ONLINE, seien "eine inakzeptable Grenzverletzung" und eine schwere Belastung für die Beziehungen mit der Türkei. "Dies nicht in aller Klarheit auszusprechen, wäre schwer nachvollziehbar", sagt Annen. Deutlicher wird er nicht in Richtung Merkel.

Kommt es zu einem Gerichtsverfahren in der Türkei?

Elf Bundestagsabgeordnete mit türkischen Wurzeln sitzen im Bundestag: fünf der SPD, drei der Grünen, eine der CDU und zwei der Linken. Nicht alle haben am Donnerstag vergangener Woche an der Abstimmung teilgenommen, doch alle werden plötzlich von türkischer Seite dafür haftbar gemacht, dass das deutsche Parlament die Massaker an den Armeniern und anderen christlichen Minderheiten im Osmanischen Reich als "Völkermord" bezeichnet.

Auf türkischen Internetseiten kursieren ihre Namen, werden ihre Bilder verbreitet, wird gedroht. Der Grünen-Abgeordnete Özcan Mutlu - der selbst während der Armenien-Abstimmung nicht im Plenum des Bundestags war - spricht von einer neuen Qualität. Am Ende könnte es so weit kommen, dass "irgendwelche durchgeknallten Verrückten" die Drohungen in die Tat umsetzten. "So sind viele Menschen in der Türkei zu Tode gekommen", sagte Mutlu in der ARD.

Angst und Sorgen gehen um: Es ist bezeichnend, dass einige der betroffenen Abgeordneten sich gar nicht mehr namentlich zitieren lassen wollen. Die türkische Tageszeitung "Günes" meldete inzwischen, der Juristenverband Hukuki Mücadele Dernegi (HMD) wolle gerichtlich gegen alle elf Abgeordneten vorgehen - auf der Grundlage von Artikel 301 des türkischen Strafgesetzbuches, der unter anderem die "öffentliche Herabsetzung" des Staates mit sechs Monaten bis zu zwei Jahren Gefängnis bestraft.

Nun fürchten manche türkischstämmige Abgeordnete des Bundestags, sie könnten im Falle einer Verurteilung nicht mehr in die Türkei zu ihren Verwandten und Freunden reisen. Der eine oder andere hat für den Sommer geplante Reisen in die Türkei schon storniert.

Auch hierzulande droht Gefahr. Die deutschen Sicherheitsbehörden haben zu einigen der elf Abgeordneten Kontakt aufgenommen, wie SPIEGEL ONLINE erfuhr. Es geht darum, ob sie nun besonders geschützt werden müssen. Für manchen ist das nichts Neues: Cem Özdemir, Parteichef der Grünen, hat seit Jahren immer mal wieder Personenschutz. Nicht nur türkische Islamisten, Nationalisten und Rechtsextremisten bedrohen ihn, auch deutsche Neonazis. Derzeit ist seine Sicherheitsstufe wieder angehoben worden.

Zwischen den Fraktionsführungen der Parteien im Bundestag wurde diskutiert, ob das Parlament in einer Aktuellen Stunde über die Drohungen sprechen sollte. Doch man verzichtete darauf - auch weil der Konflikt mit der Türkei nicht noch weiter angeheizt werden soll. Eine Solidaritätsaktion von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) mit den betroffenen Abgeordneten fiel am Dienstag ebenfalls ins Wasser, weil die fünf türkischstämmigen SPD-Parlamentarier nicht mitmachen wollen.

Fraktionsübergreifend herrscht allerdings Konsens, dass es in diesem Konflikt nicht allein um einzelne Abgeordnete, sondern um einen Angriff auf ein ganzes Verfassungsorgan geht. Lammert wird, so war in Parlamentskreisen zu hören, am Donnerstagmorgen zu Beginn der Plenardebatte dazu in einer Ansprache Stellung nehmen. Er werde "deutliche Worte finden", hieß es gegenüber SPIEGEL ONLINE.

Zusammenfassung: Seit der Armenien-Abstimmung im Bundestag werden türkischstämmige deutsche Abgeordnete aus der Türkei bedroht. Der türkische Präsident Erdogan heizte die Stimmung zuletzt noch an. Verärgerung löst bei vielen Bundestagsabgeordneten die Zurückhaltung der Kanzlerin aus. Angela Merkel hatte die Aussagen aus der Türkei - unter anderem von Staatspräsident Erdogan - als "nicht nachvollziehbar" bezeichnet.

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