So angespannt wie derzeit war das Verhältnis zwischen Berlin und Peking selten. Kanzlerin Merkel muss auf ihrer China-Reise jedes einzelne Wort genau abwägen.
Wenn es eine Szene gibt, die von den Schwierigkeiten des deutschen Verhältnisses zu China erzählt, dann ist es die Pressekonferenz der Kanzlerin in Peking. Fast jedes Jahr besucht Merkel China, an diesem Montag tritt sie zusammen mit Ministerpräsident Li Keqiang in der Großen Halle des Volkes auf.
Schon seit Jahren bestehen die Chinesen auf einem strikt begrenzten Fragenkatalog. Am liebsten wüssten sie vorab, was die Reporter fragen werden. Als an diesem Montag Li sogar versucht, Merkel sanft das Wort zu entwinden, wird es selbst der Kanzlerin zu bunt: "Ich sag einfach, was ich möchte", sagt sie lachend, aber bestimmt.Verzicht auf öffentliche "Mutproben"
Um kaum ein Land hat sich Merkel so intensiv gekümmert wie um China. Seit Beginn ihrer Kanzlerschaft im Jahr 2005 war sie schon neun Mal dort. Stets waren die Besuche mit der Hoffnung verbunden, die wirtschaftliche Zusammenarbeit möge auch dazu führen, dass sich das Land politisch wandelt. Doch nun scheint es, als gebe es einen doppelten Rückschritt:
- Einerseits sind die Chinesen sehr zögerlich, ihren Markt weiter zu öffnen.
- Andererseits kann von einer politischen Liberalisierung keine Rede sein, seit Staatspräsident Xi Jinping im Jahr 2013 die Macht übernommen hat, Dissidenten werden hart verfolgt, und Anfang 2017 wird ein Gesetz in Kraft treten, das die Arbeit von politischen Stiftungen und anderen Nicht-Regierungsorganisationen massiv behindern könnte.
Als Merkel am Sonntag ihren ersten Auftritt in China absolviert - ihr wird die Ehrendoktorwürde der Universität Nanjing verliehen - spricht sie die Probleme durchaus an. Sie sagt vor den rund 300 versammelten Studenten, dass Kreativität nur in einer Atmosphäre der Freiheit und Weltoffenheit entstehen könne. Sie pocht darauf, dass die Justiz unabhängig von der Politik entscheiden müsse. Sie sagt: "Rechtsstaatlichkeit bedeutet die Herrschaft des Rechts und nicht das Recht des Stärkeren."
Aber die Kanzlerin verpackt ihre Kritik so diplomatisch, dass ihr am Ende auch die anwesenden Funktionäre applaudieren.
Nur einmal hat es Angela Merkel zum Eklat mit der chinesischen Regierung kommen lassen, aber das ist lange her. Im Jahr 2007 empfing sie den Dalai Lama im Kanzleramt und erzürnte damit die Pekinger Führung. Als Bundeskanzlerin - so ließ sie danach wissen - entscheide sie selbst, "wen ich empfange und wo".
Seither verzichtet sie lieber auf öffentliche "Mutproben", wie es im Kanzleramt heißt, sondern versucht, die Dinge hinter den Kulissen zu regeln. So etwa den Fall des CDU-BundestagsabgeordnetenMichael Brand, dem eine Reise nach Tibet verwehrt wird - man verweigert dem deutschen Politiker die Einreise nach China. Brand ist Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses im Bundestag und hatte Menschenrechtsverletzungen in China kritisiert.
Merkel weiß, wie reizbar der Riese China inzwischen ist.
Hinter der Zurückhaltung stehen aber natürlich auch ganz handfeste Interessen. Deutschland ist Chinas wichtigster Handelspartner in Europa, und die deutsche Wirtschaft ist schon verärgert genug darüber, dass Merkel die Wirtschaftssanktionen gegen Russland vorerst nicht lockern will. Noch eine Baustelle kann die Kanzlerin nicht brauchen.
Die Regierung in Peking erwartet, dass das Land von der EU den Status einer Marktwirtschaft zu gesprochen bekommt - was zur Folge hätte, dass es schwerer würde, Anti-Dumping-Verfahren gegen China einzuleiten. "China hat seine Pflichten erfüllt, jetzt sind andere an der Reihe", sagte Ministerpräsident Li auf der Pressekonferenz am Montag mit Merkel.Merkel neigt dazu, auf die Chinesen zuzukommen - obwohl es in Europa durchaus kritische Stimmen gibt und China derzeit den Weltmarkt mit billigem Stahl flutet. Die Kanzlerin fürchtet, dass China einen Handelskrieg mit Europa beginnt, wenn der Marktwirtschafts-Status verweigert wird. Das würde vor allem die deutsche Wirtschaft treffen, deren Spitzenvertreter mit Merkel nach China geflogen sind, VW-Chef Matthias Müller etwa oder Siemens-Vorstand Jo Kaeser. "Wir erinnern uns sehr gut an die damaligen Zusagen", sagt Merkel zu Li.
Die Partnerschaft Deutschlands mit China soll auch strategisch sein. So dringt Merkel auf eine verstärkte deutsch-chinesische Zusammenarbeit etwa in Drittstaaten: "Dieses Engagement könnte man aus meiner Sicht noch ausbauen und in vielen Fällen konkretisieren." Eine solche Zusammenarbeit in oder mit Drittstaaten in der Außenpolitik, der Wirtschaft und der Entwicklungshilfe sei nun vereinbart worden.
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