Urteil des Thüringer Verfassungsgerichts: Ministerpräsident Ramelow hat mit einer Äußerung zur NPD die Neutralitätspflicht im Amt verletzt. Die Linke spricht von einem "Maulkorb".
Er nannte die NPD "Nazis" und forderte andere Parteien indirekt auf, Anträge der Rechtsextremen grundsätzlich abzulehnen. Wäre Bodo Ramelow lediglich Linken-Politiker - seine Aussagen hätten wohl kaum ein derartiges Echo ausgelöst. Doch als thüringischer Ministerpräsident ist er wohl einen Schritt zu weit gegangen. So sieht es zumindest das Landesverfassungsgericht. Ramelow, lautet nun das Urteil, habe gegen seine Neutralitätspflicht im Amt verstoßen.
Der Gerichtshof gab damit einer Klage des NPD-Landesverbandes gegen Ramelow, den ersten Ministerpräsidenten der Linken, statt. Ramelow hatte im Juni 2015 dem MDR ein Interview gegeben. Hintergrund war ein im Eisenacher Stadtrat nur knapp gescheiterter Abwahlantrag der NPD gegen die Linken-Oberbürgermeisterin Katja Wolf. Der Regierungschef appellierte daraufhin an alle demokratische Parteien, "dass es wirklich keine Gemeinsamkeiten auf der Basis von NPD-Anträgen geben darf (...). Die Nazis werden damit aufgewertet."Der NPD-Landesverband hatte dies als eine Art Boykottaufruf des Regierungschefs gegen NPD-Vertreter in Thüringer Kommunalparlamenten gewertet. Außerdem habe Ramelow die Mandatsträger als "Nazis" verunglimpft. Er habe dabei die "Insignien der Macht" in der Staatskanzlei genutzt. Ramelow habe damit den Bogen überspannt, sagte ein NPD-Vertreter im Gericht.
Protest aus den Reihen der Linken
Die Thüringer Richter entschieden nun: Ramelow habe das Verfassungsrecht der NPD auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb verletzt.
Der Protest aus den Reihen der Linken lässt nicht lange auf sich warten. Landesvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow spricht von einem "Maulkorb" für Politiker. Ramelow kündigte an, seine Kommunikation zu überdenken.
Verfassungsgerichtspräsident Manfred Aschke sagte, es spiele in dem Fall keine Rolle, dass dem Bundesverfassungsgericht ein NPD-Verbotsantrag der Bundesländer vorliege. Die Parteienrechte nach der Verfassung würden bis zur Entscheidung in Karlsruhe auch für die NPD gelten. Im konkreten Fall sei es darum gegangen, ob Ramelow als Ministerpräsident oder Parteipolitiker agiert habe. Der 60-Jährige hatte sich auf das Recht der freien Meinungsäußerung berufen.
Das Gericht entschied, Ramelow habe in dem Fall seine "Amtsautorität in Anspruch genommen" - das Interview sei in der Staatskanzlei geführt worden, die Landesflagge sei im Hintergrund zu sehen gewesen. Zudem hatte die Staatskanzlei den Link zu dem vollständigen Interview auf ihren offiziellen Kanälen beim Kurznachrichtendienst Twitter und bei Facebook verbreitet. Aschke sprach von der "Nutzung amtlicher Kommunikationswege". Letztlich habe Ramelow "die Grenzen der Zulässigkeit" nach Auffassung des Gerichts überschritten.Ramelow bleibt bei Bewertung
Ramelow kündigte an, er müsse nun "sehr gründlich durchdenken", welche Äußerungen er als Ministerpräsident machen dürfe. "Es ist ein Stück weit Klarstellung, damit können wir in der Staatskanzlei gut umgehen", sagte der Regierungschef. Das Urteil ändere nichts an seiner Bewertung. Seine Äußerungen sollten weder ein Boykottaufruf oder eine Stigmatisierung der NPD sein.
Das Urteil wurde von acht der neun Richter getragen. Ein Verfassungsrichter gab ein Sondervotum ab. Er begründete es damit, dass die Bekämpfung von Parteien mit offensichtlich verfassungsfeindlichen Zielen durch Vertreter des Staates legitim sei. Zudem habe sich die rot-rot-grüne Regierung in Thüringen im Koalitionsvertrag zum Kampf gegen Rechtsextremismus verpflichtet.
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