Musikschöpfer Eötvös: Spektakel mit den "Speaking Drums"

samedi 11 juin 2016

Musikschöpfer Eötvös: Gut gebrüllt, Martin!

Der Komponist Peter Eötvös hat Sinn für Humor. Ein Cellokonzert und ein Violinkonzert belegen dies, aber auch ein originelles Stück für Percussion mit Schlagzeugstar Martin Grubinger.

Lieben Sie Überraschungen? Dann wird die Musik von Peter Eötvös Sie selten enttäuschen. Seine Kunst lädt eher nicht zur risikolosen Degustation ein, sie reizt und kitzelt eher die Hörnerven - wenn auch auf lustvolle Art. Typisch für Eötvös' Stücke sind häufige Wechsel zwischen stringenten Strukturen und scheinbar freie, eruptive Strecken. Dazu kommt ein Spiel mit Klang und Geräusch, das eine intensive Kommunikation zwischen Hörer und Musiker zumindest simulieren soll.

Drei sehr unterschiedliche Solistenkonzerte sind auf einer neuen CD vereint, die der Komponist selbst dirigiert. Interpretatorische Authentizität kann hier also vorausgesetzt werden. Noch dazu holte sich Peter Eötvös mit Midori Seiler (Violine), Jean-Guihen Queyras (Cello) und Martin Grubinger (Percussion) Virtuosen für seine Konzerte ins Studio, denen stets der Sinn nach Entdeckungen steht. Innovationen liegen da in guten Händen. Und kreativer Geist muss sein, denn die drei Werke entstanden alle erst während der letzten fünf Jahre.

Martin Grubinger allein steht schon für Spektakel: Der immer noch jugendlich frisch wirkende Percussion-Star, inzwischen in aller Welt ein Publikumsmagnet, entfesselte mit seiner irrwitzigen Technik und seiner charismatisch-sympathischen Persönlichkeit einen Schlagwerk-Boom, wie es ihn in der Konzertmusik bisher nicht gab. Allein seine Mini-Talkshow vor jedem Konzert, in der er dem Auditorium die nicht eben populären Schlagzeug-Konzerte der Avantgarde launig nahebringt, machten ihn zu einem Popstar der E-Musik.

Komponisten wie Friedrich Cerha oder Avner Dorman sind erst seit Grubingers Interpretationen einem breiteren Publikum bekannt. Bei Eötvös' Grenzen sprengenden "Speaking Drums" ist Grubingers Sprecherrolle gleich ins Konzert hineinkomponiert, wenn auch nur lautmalerisch. Grubinger muss nicht nur trommeln, er darf auch grummeln, brüllen, schreien, sprechen. Keine Frage, dass ihm dies Spaß macht, er biegt sich das Stück zu "seinem" Konzert zurecht. Vielleicht nicht unbedingt reich an Tiefsinn, aber prall von Musizierlust und keckem Virtuosentum.

Der Hörer ist eingeladen, seine Fantasie laufen zu lassen

Peter Eötvös, 1944 in Transsylvanien geboren, begann seine musikalische Ausbildung an der Budapester Musikakademie als Dirigent, arbeitete Mitte der Sechzigerjahre mit Stockhausen in Köln zusammen und erwarb sich die Wertschätzung von Kollegen wie Pierre Boulez sowie von Top-Häusern in London und Mailand.

Neben seinen erfolgreichen Konzertwerken komponierte Peter Eötvös zahlreiche Opern. Dazu gehört "Der goldene Drache" von 2014 nach einem der besten Stücke des zeitgenössischen deutschsprachigen Theaters von Roland Schimmelpfennig, das sich in nahezu hellseherischer Weise mit den aktuellen Problemen der Flüchtlingsströme in Europe bildkräftig auseinandersetzt.

"DoReMi", das Violinkonzert am Anfang des CD-Programms, ist (das Tonleiter-Anagramm lässt es erahnen) der Geigerin Midori Seiler gewidmet, und es kontrastiert wunderbar mit dem folgenden Cellokonzert. Midori selbst interpretiert das klangfarbig und technisch herausfordernd gearbeitete Konzert, und Eötvös dirigiert natürlich forscher Hand das Orchestre Philharmonique de Radio France. Dabei dosiert er penibel die Energie des Ensembles und überlässt der Virtuosität seiner Solistin das Feld, was Midori zu einem dramatischen, filmgleichen Trip inspiriert: Der Hörer ist eingeladen, seine Fantasie laufen zu lassen, ganz im Sinne von Eötvös' Musiker/Hörer-Kommunikation.

Wenn es so etwas wie eine ironische Spielhaltung gibt, nimmt der junge Cellovirtuose Jean-Guihen Queyras sie beim "Cello Concerto Grosso" furios ein und liefert eine süffige Klangpalette von blue-note-hafter Geschmeidigkeit bis zu folkloristisch harten Pizzicato-Attacken. Damit verpasst er den Gegensätzen in der Partitur etwas übermütig-schalkhaftes, was der Komponist Eötvös offenbar genauso doppelbödig gemeint hat - schließlich führt der Schöpfer ja am Pult Regie.

Gegen diese Subtiliäten mutet Martin Grubingers Theater-Remmidemmi als Vokalist mit Marimba & Co in den "Speaking Drums" dann beinahe ein wenig altfränkisch verplaudert und bemüht lustig an. Aber dem Drum-Derwisch und Charmebolzen sieht man ja einiges nach, und als Live-Event dürfte das Konzert unter den Grubinger-Händen wohl wieder ein Abräumer werden. Der Festival-Sommer beginnt: Achten Sie auf Eötvös-Konzerte und Grubinger-Gigs. Zumindest, wenn Sie Überraschungen lieben!

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