EM-Vorbereitung der DFB-Elf: Wofür Testspiele kurz vor einem Turnier gut sind

dimanche 29 mai 2016

Oliver Bierhoff (rechts)

Oliver Bierhoff (rechts)

Die Partie der DFB-Elf in Augsburg gegen die Slowakei ist als sportlicher Wettkampf zu vernachlässigen. Dennoch sind Testspiele so nah vor einem Turnier wichtig. Hier haben Weltmeister-Karrieren begonnen.

Es war Lothar Matthäus' größter Moment als Trainer. Am 6. Juni 2004 spielte Deutschland gegen Ungarn in Kaiserslautern, Deutschland verlor 0:2, und der Name des ungarischen Nationalcoaches hieß Matthäus.

Die Erfolgsgeschichte des Trainers Matthäus war danach überschaubar, das Ergebnis haben die meisten in Deutschland längst vergessen. Aber diese Partie gegen Ungarn war wahrscheinlich das einzige Testspiel, das im Nachhinein bedeutender war als das Turnier danach.

An diesem 6. Juni 2004 machten zwei junge Fußballprofis ihre jeweils ersten Länderspiele. Der Eine hieß Bastian Schweinsteiger, der Andere Lukas Podolski.

Die große Chance, sich fürs Turnier zu empfehlen

Testspiele direkt vor einem großen Turnier wie am Sonntag in Augsburg gegen die Slowakei (17.45 Uhr, High-Liveticker SPIEGEL ONLINE) haben einen zwielichtigen Charakter. Auf der einen Seite gilt, was Bundestrainer Joachim Löw auch vor dem Slowakei-Spiel betont: "Das Ergebnis ist für mich komplett zweitrangig." Sportlich sind diese Spiele Streichresultate. Zum Anderen jedoch finden sie rund um die endgültigen Kadernominierungen statt. Für viele Spieler sind diese Partien gegen Bosnien, Ungarn oder Weißrussland die große Chance, sich zu zeigen und sich für den Kader zu empfehlen. Für manche ist es die einzige Chance.

Der Leverkusener Christoph Kramer zum Beispiel wird sich gerne an einen freudlosen Kick im Mai 2014 in Hamburg erinnern. Das 0:0 gegen Polen dürften die meisten deutschen Fußballanhänger mittlerweile mit gutem Grund komplett verdrängt haben, nicht so Kramer. Von Löw kurz zuvor erstmals in die Nationalmannschaft berufen, feierte er sein Debüt in Hamburg, genau wie Abwehrspieler Shkodran Mustafi. "Für die WM in Brasilien konnte sich keiner der Debütanten aufdrängen", schrieb der "Kicker" schlecht gelaunt nach dem Spiel. Löw sah das anders, und zur Überraschung aller waren Kramer und Mustafi zwei Monate später Fußball-Weltmeister.

2006 vor der WM im eigenen Land standen der damalige Teamchef Jürgen Klinsmann und sein Assistent Löw massiv unter Druck, ein 1:4 im März gegen Italien hatte Deutschland quasi an den Rand einer Staatskrise befördert. Das 3:0 im letzten Testspiel gegen Kolumbien war dann auch viel mehr ein psychologischer als ein sportlicher Erfolg. Der Sieg mit Toren von Michael Ballack, Bastian Schweinsteiger und Tim Borowski war die Eintrittskarte für ein Turnier, das den Weg des deutschen Fußballs hin zum WM-Triumph in Brasilien maßgeblich geprägt hat.

2008 reichte ein miserabler Test, um DFB-Karrieren zu beenden

Dass Testspiele auch Türen schließen können, mussten zwei Jahre später Marko Marin, Jermaine Jones und Patrick Helmes erfahren. Die drei gehörten zum erweiterten Aufgebot für die EM in Österreich und der Schweiz. In der Partie gegen die biederen Weißrussen, erneut in Kaiserslautern, durfte das Trio in der zweiten Hälfte für Schweinsteiger, Ballack und Miroslav Klose aufs Feld. Mit ihnen verspielte die DFB-Elf einen 2:0-Vorsprung, Marin, Jones und Helmes durften sich die EM anschließend im Fernsehen anschauen. Karriere in der Nationalmannschaft haben alle drei nicht mehr gemacht.

Für die Gesetzten im Kader sind solche Testspiele kurz vor Turnier-Beginn hingegen nur eine lästige Pflichtübung. Und manchmal nicht einmal das. Manuel Neuer, Thomas Müller und Mesut Özil treten die Reise nach Augsburg nicht einmal an, obwohl sie fit und in der Lage gewesen wären zu spielen. Die angeschlagenen Mats Hummels, Bastian Schweinsteiger und Marco Reus bleiben ohnehin ebenfalls im Trainingslager in Ascona.

Das dürfte vor allem Reus recht sein. Der Dortmunder hat gar keine guten Erinnerungen an Last-Minute-Tests. Vor zwei Jahren knickte er im letzten Länderspiel vor der WM gegen Armenien so unglücklich um, dass das Turnier anschließend ohne ihn stattfand. Jetzt packt man den für solche Situationen anfälligen 26-Jährigen besser in Watte.

So wird Augsburg zum öffentlichen Vorspielen für Torwartdebütant Bernd Leno, für die jungen Mittelfeldstrategen Julian Weigl und Joshua Kimmich, für die Shootingstars im Sturm, Julian Brandt und Leroy Sané. Irgendwer aus diesem Kreis wird am Ende glücklich sein wie Christoph Kramer vor zwei Jahren. Aber irgendwer wird sich auch fühlen wie Patrick Helmes 2008. Für sie ist es kein Test, für sie ist es jetzt schon der Ernstfall.

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