TV-Duell zur Präsidentenwahl in Österreich: Zum Fremdschämen

lundi 16 mai 2016

Präsidentenwahl in Österreich: "Beide blamiert, Amt beschädigt"

In einer Woche wird in Österreich ein neuer Präsident gewählt. Bei einem TV-Duell ohne Moderator und Regeln zeigten beide Kandidaten, wie sehr sie sich verachten.

Sie könnten kaum unterschiedlicher sein: Alexander Van der Bellen, 72, der von den Grünen unterstützte, proeuropäische Wirtschaftsprofessor, links am Tisch. Norbert Hofer, 45, Rechtspopulist von der FPÖ, rechts am Tisch.

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Am Pfingstsonntag trafen sich die beiden Präsidentschaftskandidaten in Österreich in einem spartanisch eingerichteten TV-Studio sieben Tage vor der Stichwahl zum Duell.

Die 45-minütige Sendung "Meine Wahl" (Hier sehen Sie sie in kompletter Länge) des Privatsenders ATV war ein heikles Experiment: Es gab keinen Moderator, keine Regeln, kein Publikum bei diesem Schlagabtausch. Wieso eigentlich, fragt man sich angesichts der Lage in Österreich, wo kaum eine Präsidentenwahl je so polarisiert hat. Die Sendung lief dementsprechend aus dem Ruder.

Den Verantwortlichen von ATV hätte das klar sein müssen, aber vielleicht wollten sie auch gerade das: zeigen, wie die beiden Kandidaten wirklich sind, wenn man sie allein lässt.

Um es vorwegzunehmen, der Preis für das Experiment war am Ende hoch. Zwei beschädigte Kandidaten blieben zurück - und Zuschauer, die sich für diese beiden Politiker fremdschämten, die sich mit Verachtung, Häme und Unverschämtheiten begegneten.

"Ah, nachplappern können Sie auch."

Van der Bellen und Hofer schafften es nur rund 20 Minuten, einigermaßen sachlich miteinander zu diskutieren. Dann fochten sie einen würdelosen Hahnenkampf voller Hohn aus. Einige Beispiele:

  • Mehrmals attestierte Rechtspopulist Hofer seinem Konkurrenten "immer so untergriffig" zu sein, um dann später seinen Kontrahenten als "oberlehrerhaft" abzustempeln oder ihm vorzuwerfen, "ah, nachplappern können Sie auch".
  • Van der Bellen machte es nicht besser, er zeigte Hofer einmal sogar einen "Scheibenwischer", fuchtelte vor seiner Stirn mit seiner Hand hin und her. Der wiederum stempelte sein Gegenüber als Lügner ab.
  • Hofer warf Van der Bellen angesichts seiner prominenten Unterstützer wie Südtirols Extrembergsteiger Reinhold Messner und Oscarpreisträger Christoph Waltz vor, ein "Kandidat der Schickeria" zu sein. Er selbst sei aber ein Kandidat der Österreicher, sagte Hofer.
  • Van der Bellen nannte die Angriffe von Hofer auf seine Unterstützer "eine Schweinerei".
  • Der Schlagabtausch wurde auch persönlich, als es um Wirtschaftspolitik ging. Van der Bellen zu Hofer, ein ehemaliger Lauda-Air-Mitarbeiter: "Sie verstehen nichts von Wirtschaftspolitik". Hofer antwortete dem Universitätsprofessor: "Sie haben noch nie in der Wirtschaft gearbeitet."

Und so ging es hin und her, beide zogen sich an einzelnen Wörter des Gegners auf, fielen sich ins Wort. Respekt? Den scheint es in Österreich derzeit nicht mehr zu geben, jedenfalls nicht im Kampf um das höchste Staatsamt, was tief blicken lässt.

Vielleicht zeigte sich an diesem Abend in Österreich, was auch in Deutschland vielerorts seit dem Erstarken der AfD und dem Aufkommen von Pegida zu beobachten ist. Ein Austausch von Meinungen und Argumenten zwischen den sich gegenüberstehenden Lagern ist oft gar nicht mehr möglich. Es wird in der Flüchtlingskrise mit Unterstellungen gearbeitet, Emotionen werden geschürt oder es wird gleicht gepöbelt.

Auch in Österreich stehen sich die Lager der weltoffenen Willkommensanhänger und der Befürworter von Abschiebungen und Abschottungen gegenüber. So gesehen haben Van der Bellen und Hofer an diesem Abend einen Stellvertreterstreit für ihr gespaltenes Land ausgefochten.

"Und die wollen in die Hofburg?"

Beobachter zeigten sich entsetzt. Politberater Thomas Hofer sprach von einem "Kindergartenniveau", beide Politiker "haben sich blamiert und sind amtsbeschädigt". Dabei sollten beide Politiker eigentlich als mögliche Bundespräsidenten dazu fähig sein, "im Interesse der Politik eine zivilisierte Diskussion zu führen", sagte Hofer.

Das Boulevardblatt "Kronen-Zeitung" schrieb, das sei "unterstes Niveau" gewesen. "Und die wollen in die Hofburg?" Auch auf Twitter fiel das Fazit ähnlich aus. Eine Auswahl:

Bloßgestellt trifft es insbesondere für den FPÖ-Mann Hofer, der sich bisher - anders als sein Parteichef Hans-Christian Strache - mit Schrilligkeiten zurückhielt, und seine EU-feindlichen und nationalen Botschaften mit viel Charme rüberbrachte. Das ist nun wohl vorbei.

Leider war der ehemalige Grünen-Vorsitzende Van der Bellen nicht in der Lage, diesem Verhalten etwas entgegenzusetzen, die inhaltlichen Punkte einzuordnen und seinen Gegner rhetorisch zu entlarven.

Ob dieses TV-Duell die österreichischen Wähler am 22. Mai an die Urne locken wird? Ein Gewinn für die Demokratie war es jedenfalls nicht.

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