AfD-Chef Meuthen: "Anti-Islam-Partei - wieder so ein Schlagwort"

jeudi 28 avril 2016

AfD-Co-Vorsitzender Meuthen

AfD-Co-Vorsitzender Meuthen

Vor ihrem wichtigen Parteitag profiliert sich die AfD mit Kritik am Islam. Im Interview mit SPIEGEL ONLINE verteidigt Co-Chef Jörg Meuthen den Kurs, spricht über Mesut Özil, Frauke Petry - und deutsche Patrioten.

Die AfD will sich erstmals ein Grundsatzprogramm geben. Dazu werden am Wochenende in Stuttgart rund 2000 Mitglieder der rechtspopulistischen Partei erwartet. Eines der zentralen Themen auf dem Bundesparteitag ist das Verhältnis zum Islam. Im Entwurfspapier, das der Bundesvorstand mitträgt, wird das Minarett explizit abgelehnt - "als islamisches Herrschaftssymbol", ebenso der Ruf des Muezzin.

Jörg Meuthen, zusammen mit Frauke Petry einer der beiden Vorsitzenden der AfD, rechtfertigt den Kurs. Seine Partei wende sich gegen den "politischen Islam, der die Scharia über das Grundgesetz" stellen wolle, nicht aber gegen jene Millionen Muslime, "die sich friedlich und rechtstreu verhalten", erklärt er im Interview mit SPIEGEL ONLINE.

Der 54-Jährige, der zu den gemäßigten Kräften in der AfD gezählt wird, äußert sich auch über die Zusammenarbeit mit Petry.

Lesen Sie hier das gesamte Interview:

SPIEGEL ONLINE: Herr Meuthen, wird sich die AfD auf ihrem Parteitag in Stuttgart als Anti-Islam-Partei inszenieren?

Meuthen: Sie machen es sich aber einfach. Anti-Islam-Partei - das ist wieder so ein Schlagwort, mit dem wir in eine bestimmte Ecke geschoben werden sollen.

SPIEGEL ONLINE: Im Programmentwurf Ihrer Partei steht: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland."

Meuthen: Damit wollen wir nicht jene Millionen Muslime ausgrenzen, die sich friedlich und rechtstreu verhalten. Uns geht es um einen politischen Islam, der die Scharia über das Grundgesetz stellt, der hier eine andere Gesellschaft errichten will. Gegen jene Kräfte wenden wir uns.

Zur Person
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    Jörg Meuthen, 54, ist einer der beiden gleichberechtigten Vorstandssprecher der Alternative für Deutschland (AfD). Seine Co-Vorsitzende ist Frauke Petry. Meuthen, der in Essen geboren wurde und dort aufwuchs, trat im Herbst 2013 der AfD bei. Ursprünglich wurde er zum Flügel um den AfD-Mitgründer und Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke gezählt. Lucke trat 2015 wegen des Rechtskurses aus der Partei aus und gründete die Alfa-Partei. Meuthen, Professor für Volkswirtschaft und Finanzwissenschaft, ist seit Sommer 2015 an der Spitze der Partei. Zudem ist er Landes- und Fraktionschef AfD in Baden-Württemberg.

SPIEGEL ONLINE: Machen wir es konkret: Mesut Özil, Sami Khedira und Ilkay Gündogan aus der deutschen Fußball-Nationalmannschaft - gehören diese Spieler zu Deutschland?

Meuthen: Selbstverständlich gehören sie zu Deutschland.

SPIEGEL ONLINE: Komisch, dass Sie dann eine Botschaft setzen, die für viele Muslime nach Ausgrenzung klingt. Und auch viele ihrer Wähler, die Ressentiments gegen Muslime teilen, verstehen diese Botschaft so.

Meuthen: Dem widerspreche ich. Ein muslimischer Freund aus Jugendtagen, von dem ich seit 20 Jahren nichts mehr gehört habe, bedankte sich kürzlich bei mir. Er sei auch gegen radikale Islamisten, Salafisten, die die Muslime insgesamt diskreditieren.

SPIEGEL ONLINE: Wir fragen aber nicht nach Salafisten, sondern danach, ob der Islam zu Deutschland gehört. Wieder konkret: Dürften Muslime in einem AfD-Land noch Moscheen und Minarette bauen?

Meuthen: Grundsätzlich ja. Aber man muss genau hinschauen, wer sie baut. Wenn in Deutschland zunehmend Moscheebauten von radikalen Strömungen des Islam finanziert werden, etwa aus Saudi-Arabien oder Katar, dann sagen wir Nein.

SPIEGEL ONLINE: Auf Ihrem Parteitag steht auch ein Antrag der AfD-Niederbayern zur Debatte, in dem ein Verbot des Schächtens und des Beschneidens gefordert wird. Das würde nicht nur muslimisches, sondern auch religiöses jüdisches Leben betreffen. Ist die AfD in Teilen eine antisemitische Partei?

Meuthen: Das ist ein abstruser Vorwurf. Die AfD ist dezidiert israelfreundlich, Antisemitismus liegt uns fern, wir hatten sogar zwei jüdische Landtagskandidaten in Baden-Württemberg. Wenn jüdisches Leben heutzutage bedroht ist, dann doch eher durch radikalisierte Moslems.

SPIEGEL ONLINE: Sie selbst bezeichnen sich als Patrioten. Kann ein deutscher Muslim auch ein deutscher Patriot sein?

Meuthen: Ja, natürlich kann er das.

SPIEGEL ONLINE: Den Deutschen sei der Patriotismus systematisch aberzogen worden, haben Sie mal gesagt, wir hätten ein "krankes Verhältnis" zur eigenen Nation. Wen genau meinen Sie damit?

Meuthen: Vor allem im linken und linksextremen Spektrum gibt es eine ablehnende Haltung gegenüber unserem Land, die sich in solchen Slogans äußert wie "Deutschland verrecke". Ein positiver Bezug zu Deutschland ist uns als Folge der Entnazifizierung doch konsequent aberzogen wurde.

SPIEGEL ONLINE: Haben Sie ein Problem mit der Entnazifizierung? Oder halten Sie die NS-Herrschaft, Auschwitz für historische Petitessen?

Meuthen: Nein, natürlich nicht. Ich will diesen Teil der deutschen Geschichte nicht ausklammern. Die Nazi-Gräuel werden vorbildlich aufgearbeitet, kaum ein Land auf der Welt arbeitet seine Vergangenheit so konsequent auf wie Deutschland. Ich wehre mich aber gegen eine Verengung der deutschen Geschichte auf diese zwölf Jahre der Nazi-Herrschaft. Die Menschen hierzulande sollen einen ganz normalen Patriotismus haben dürfen.

SPIEGEL ONLINE: Die AfD wehrt sich gegen die Bezeichnung, rechtspopulistisch zu sein, ihr Vize Alexander Gauland hat jüngst zumindest eingeräumt, die Partei sei "populistisch". Wie nennen Sie persönlich die AfD?

Meuthen: Ich nenne meine Partei rechtskonservativ oder rechtsliberal. Rechtspopulistisch ist eine polemische Zusammenfassung unserer Positionen.

SPIEGEL ONLINE: Sie haben sich in letzter Zeit auffallend häufig an Gaulands Seite gezeigt, spielt Ihre Co-Vorsitzende Frauke Petry überhaupt noch eine Rolle?

Meuthen: Ja, natürlich. Ich habe den Eindruck, Frau Petry ist nach wie vor auch medial wesentlich präsenter als ich.

SPIEGEL ONLINE: Petry wird intern vorgehalten, sie handele oft allein. Teilen Sie diese Einschätzung?

Meuthen: Es hat vereinzelt solche Vorkommnisse gegeben.

SPIEGEL ONLINE: Wird Petry im Bundestagswahlkampf eine führende Rolle für die AfD spielen?

Meuthen: Davon gehe ich aus.

SPIEGEL ONLINE: Ihr Thüringer Parteikollege Björn Höcke hat einen Vortrag über das "Reproduktionsverhalten" von Schwarzen gehalten, das er implizit mit dem von Kaninchen und Mäusen verglich. Und in ihrem eigenen Landesverband ist Dubravko Mandic unterwegs, der den US-Präsidenten als "Quotenneger" bezeichnet hat. Warum halten Sie solche Leute in der AfD?

Meuthen: Herr Höcke und Herr Mandic gehören zum Spektrum der AfD. Vereinzelte Äußerungen waren indiskutabel und wurden scharf gerügt.

SPIEGEL ONLINE: Warum finden Sie die nur "indiskutabel" und nicht - was sie wirklich sind - rassistisch?

Meuthen: Sie können als rassistisch interpretiert werden, deshalb sollte man sie unbedingt unterlassen und sie können nicht akzeptiert werden. Ich habe das jeweils auch klar gesagt.

SPIEGEL ONLINE: Sie waren einst Skeptiker des französischen Front National, jetzt scheinen Sie offen zu sein für eine Zusammenarbeit. Warum?

Meuthen: Über kurz oder lang werden sich im Europaparlament die Fraktionen EFDD, in der etwa die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch sitzt, und die ENF des Front National zusammenschließen. Dann werden wir gar nicht drum herum kommen, punktuell mit denen zusammenzuarbeiten. Meine Skepsis aber bleibt. Der FN ist eine nationalistische, in wirtschaftlichen Fragen auch sozialistische Partei. Wir dagegen sind patriotisch und freiheitlich.

SPIEGEL ONLINE: Das gemeinsame Band von FN und AfD ist zudem das Ressentiment gegen Muslime und andere Minderheiten?

Meuthen: Das ist eine falsche und polemische Überspitzung, darauf gehe ich nicht ein.

SPIEGEL ONLINE: Außenpolitisch setzen Sie auf Russland. Ist die AfD der verlängerte Arm Moskaus in Deutschland?

Meuthen: Mit Sicherheit nicht, wir sind keine Putinisten. Russland ist eine von vielen Nationen, zu denen wir Kontakte halten. Eine Diskriminierung Russlands ist unangemessen, wir fordern die Aufhebung der EU-Sanktionen.

SPIEGEL ONLINE: Insbesondere unter Russlanddeutschen erhält die AfD großen Zuspruch, wie die jüngsten Landtagswahlen zeigten, der russlandfreundliche Kurs scheint sich zu lohnen.

Meuthen: Es ist richtig, russlandfreundlich zu sein. Aber das heißt nicht, dass wir amerikafeindlich sind.

SPIEGEL ONLINE: Sind Sie für den Verbleib Deutschlands in der Nato?

Meuthen: Ja, aber wir sollten innerhalb der Nato deutsche und europäische Interessen deutlicher als bislang vertreten. Bisher wird das Bündnis zu stark von den USA dominiert.

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