Geheimdienst-Chaos: Die BND-Reform kommt - aber welche?

jeudi 28 avril 2016

Innenminister de Maiziere, Kanzlerin Merkel, Kanzleramtschef Altmaier

Innenminister de Maiziere, Kanzlerin Merkel, Kanzleramtschef Altmaier

Das Kanzleramt wechselt den BND-Chef aus und schweigt über die Gründe. Mit der neuen Führung soll nun offenbar die große Geheimdienstreform vorangetrieben werden - nach Monaten des Stillstands.

Wenig Zeit? Am Textende gibt's eine Zusammenfassung.


Warum musste Gerhard Schindler sein Amt als Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND) abgeben? Und warum ausgerechnet jetzt - kurz vor der größten Umstrukturierung, die die Riesenbehörde je erlebt hat? Einen Tag nach dem überraschenden Personalwechsel an der Spitze des Auslandsnachrichtendienstes sind viele Fragen offen.

Die Bundesregierung will Details, die zur Entscheidung der Ablöse führten, nicht preisgeben. Mögliche Gründe für die Rochade gibt es viele - das Verhältnis zwischen Regierung und BND-Spitze gilt seit den Snowden-Enthüllungen als angespannt.

Am Mittwoch hatte Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) den Verwaltungsjuristen Bruno Kahl als neuen Chef-Spion vorgestellt. Kahl ist seit mehr als 20 Jahren ein enger Mitarbeiter von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Jetzt soll Kahl einen Neustart der Behörde mit 6500 Mitarbeitern umsetzen.

Der Umbau werde laut Altmaier "jeden Bereich" betreffen: von der Anti-Terror-Abwehr über Cybersicherheit bis hin zum Umzug der BND-Zentrale von Pullach nach Berlin.

Noch in diesem Jahr, verspricht das Kanzleramt, soll die BND-Novelle auf den Weg gebracht werden. Der Bundestag soll noch vor der Sommerpause einen Gesetzentwurf übermittelt bekommen.

Damit wird offenbar ein Prozess reaktiviert, der seit Monaten auf Eis liegt. Ende 2015 hatten sich Union und SPD darauf geeinigt, den BND einer strengeren Kontrolle zu unterwerfen.

Das Konzept würde die Befugnisse des Auslandsdienstes massiv beschränken. So müsste der Dienst noch vor Beginn von Abhör-Aktionen einer Kommission des Bundestags Listen mit Zielen vorlegen. Politische Spionage in EU-Ländern und -Institutionen sowie Wirtschaftsspionage würden ihm ausdrücklich verboten sein.

Der BND gilt als unkontrollierbarer Apparat mit Eigenleben: Agenten machten auf der Radarstation Bad Aibling gemeinsame Sache mit der NSA, prüften Abhör-Wünsche des engen Partners kaum und spähten sogar EU-Institutionen aus.

Per Geheimdienstreform sollte Angela Merkels Satz "Ausspähen unter Freunden geht gar nicht" längst in Paragrafen gegossen sein. Nach den vielen Pannen beim BND wollte die Bundesregierung damit beweisen, dass Deutschland seinen Auslandsdienst im Griff hat.

Im Januar kursierte ein entsprechender Gesetzentwurf. Doch danach passierte erstmal gar nichts. In der Koalition gab es Unstimmigkeiten darüber, ob die Reform dem Parlament zu weitreichende Rechte einräumen und die Freiheiten des Geheimdienstes zu sehr einschränken würde.

Jetzt aber betont das Kanzleramt plötzlich, die BND-Reform werde wie geplant noch in diesem Jahr beschlossen. Doch ist der Konflikt jetzt, mit einem Umbau an der BND-Spitze, tatsächlich gelöst? Oder könnte das Paket noch einmal aufgeschnürt, die Reform also in Wahrheit entschärft werden?

Es war vor allem die SPD, die - gegen die Linie von CDU-Hardlinern wie Schäuble - auf umfassende Neuerungen pochte. In der globalen Spähaffäre traten die Sozialdemokraten als Hüter der Grundrechte auf. Für die SPD sind strengere Regeln für den BND also eine Sache der eigenen Glaubwürdigkeit.

Der innenpolitischer Sprecher, Burkhard Lischka, glaubt auch jetzt noch an einen Erfolg: "Die Neuordnung des BND darf nicht nur darin bestehen, den Präsidenten auszutauschen, sondern den Bundesnachrichtendienst durch eine Reform auf eine klare gesetzliche Grundlage zu stellen", sagt er SPIEGEL ONLINE. Und SPD-Fraktionsvizechefin Eva Högl sagt: "Ich bin überzeugt, dass unsere Forderungen in allen wesentlichen Punkten erfüllt werden."

Eine "klare gesetzliche Grundlage", in "allen wesentlichen Punkten" - das klingt bestimmt, lässt aber durchaus Spielraum für Veränderungen am Konzept.

Vor allem auf Unionsseite will man verhindern, dass zu viel Transparenz den BND schwächen könnte. Dringen Spionage-Details nach außen, sei dies "fahrlässig" und ein "Sicherheitsrisiko für jeden Bürger", sagte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) im vergangenen Jahr.

Die Furcht ist groß, dass sich ausländische Dienste misstrauisch abwenden. Keine Lappalie, denn im Anti-Terror-Kampf ist man auf sie angewiesen, Spähvorwürfe hin oder her. Zu viele Zugeständnisse an das Parlament dürfte die Bundesregierung also nicht machen wollen.

Die Linken-Obfrau im NSA-Untersuchungsausschuss, Martina Renner, warnt bereits: "Man muss davon ausgehen, dass der Entwurf aus dem Januar nur noch Makulatur ist." Andernfalls hätte er nicht so lange in der Warteschleife gehangen. Renner zeigt sich sehr skeptisch, dass die Novelle in ihrer ursprünglich geplanten Form komme.

Die Auslandserfassung müsse radikal neu definiert werden, fordert Renner. "Außerdem brauchen wir konkrete Sanktionsmöglichkeiten, wenn der BND gegen Grundrechte und Gesetze verstößt". Andernfalls könnte der Auslandsdienst das Parlament "weiter täuschen".

Für den Moment signalisiert das Kanzleramt, keine großen Änderungen vorantreiben zu wollen. Am Montag dieser Woche informierten Altmaier und Geheimdienstkoordinator Klaus-Dieter Fritsche die Fachpolitiker aus Union und SPD über den Stand der Dinge. Die Reform werde wie geplant kommen, hieß es. Bis Jahresende solle sie im Bundesgesetzblatt stehen.

Doch wurden die Parlamentarier gerade erst über einen wichtigen BND-Vorgang im Dunkeln gelassen: Davon, dass Schindler abgesägt wurde, erfuhren führende Innenpolitiker im Bundestag nicht vom Kanzleramt - sondern aus den Medien.

Getty Images

Zusammengefasst: Die Große Koalition hat sich Ende 2015 darauf geeinigt, den BND stärker zu kontrollieren. Lange Zeit passierte nichts. Nach dem Wechsel an der Spitze des BND soll der Gesetzentwurf nun aber überraschend vorangetrieben werden. Die Opposition fürchtet, dass der Entwurf verwässert und die Kontrollen nicht weitreichend genug sein werden.

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