Irans Außenminister Zarif wirbt für Investitionen in sein Land. Beim Besuch der EU-Politikerin Mogherini werden auch unangenehme Fragen gestellt. Im Interview macht er deutlich, worauf es Teheran wirklich ankommt.
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Flüchtlinge, Syrien, Menschenrechte - beim Besuch der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini in Teheran gibt es jede Mengen Streitthemen. In einem aber ist sich die EU-Spitzendiplomatin mit Irans Außenminister Mohammad Javad Zarif einig: Die Aufhebung der Sanktionen wegen des Atomprogramms muss für die Menschen in dem lange isolierten Land endlich Früchte tragen.
Ein Stuhl in goldener Farbe, ein Kronleuchter, Tausende kleine Spiegelstücke an der Wand. Der Raum, in dem Irans Außenminister Mohammad Javad Zarif zum Interview bittet, hätte der bayerische Märchenkönig Ludwig II. nicht besser ausstatten können.Eine Stunde nimmt sich Zarif Zeit, um mit SPIEGEL ONLINE und drei weiteren europäischen Medien zu sprechen, es ist auch eine Geste. Die EU-Außenbeauftragte Mogherini ist mit großer Delegation in Teheran zu Gast. Es geht darum, die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Europäern und Iranern wieder in Gang zu bringen, nachdem die Sanktionen, die gegen das Land wegen des Atomprogramms verhängt worden waren, im Januar aufgehoben wurden.
Die moderaten Kräfte im iranischen Regierungsapparat brauchen diesen Erfolg, das macht Zarif schnell klar. "Wir müssen den Menschen zeigen, dass das Abkommen sich auszahlt. Wenn man will, dass das Abkommen lange hält, muss man in eine Versicherung investieren: Es ist klar, dass die iranische Bevölkerung Ergebnisse sehen will."
Banken zögerlich
Doch es gibt Hindernisse, auch noch fast ein Jahr nach dem historischen Atomdeal mit dem Land im vergangenen Sommer. Vor allem große Banken zögern noch immer mit einer Rückkehr ins Irangeschäft, sie fürchten hohe Strafen der US-Behörden. Kein kleines Problem, denn so fehlen für große Projekte oft die Geldgeber.
"Wir bitten die Vereinigten Staaten nur um eines: Mischt euch nicht ein", sagt Zarif nun. Die USA sollten sich hinter den gemeinsamen Aktionsplan stellen. "Die Vereinigten Staaten sollten da glasklar sein: Geschäfte mit dem Iran zu machen ist sauber, ohne Wenn und Aber. Das ist einfaches Englisch, kein Juristenlatein." Iran werde seine Verpflichtungen zur Bekämpfung von Geldwäsche und zur Bekämpfung der Finanzierung von Terrorismus erfüllen, kündigte er an. "Wir haben nicht über 30 Monate bei einer der intensivsten Verhandlungen, die es jemals gab, mitgemacht, um jetzt mit einem leeren Dokument dazustehen."
In der Wirtschaft jedenfalls herrscht Aufbruchstimmung - und Ungeduld: Der Wettlauf der EU-Mitglieder um Investitionen in Iran hat begonnen, und auch die deutschen Bundesländer mischen kräftig mit. Zeitgleich mit EU-Spitzendiplomatin Mogherini traf am Samstag auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) mit großem Tross in Teheran ein. Mit der EU vereinbarte Iran am Samstag eine ganze Reihe von gemeinsamen Projekten.
Die Europäer wollen ein Delegationsbüro eröffnen und unterstützen die Aufnahme Irans in die Welthandelsorganisation WTO. Eine engere Zusammenarbeit wurde auch in Energiefragen vereinbart. "Iran ist ein wichtiger Teil des europäischen Energiemixes und für unsere Sicherheit", sagte Mogherini. Iran hat die viertgrößten Öl- und die zweitgrößten Gasreserven der Erde. Bislang nutzt das Land das Gas fast ausschließlich zur eigenen Versorgung, der Export ins Ausland ist eines der wichtigsten Ziele, doch es fehlt die Infrastruktur - und für die kann die europäische Wirtschaft sorgen.
"Menschenrechte sind für alle wichtig"
Auch schwierige Fragen wurden angesprochen beim Treffen Mogherinis mit Zarif und auch im Gespräch des Außenministers mit SPIEGEL ONLINE. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch hatten der iranischen Regierung vorgeworfen, sie zwinge afghanische Flüchtlinge im syrischen Bürgerkrieg zu kämpfen. Zarif wies das kategorisch zurück. "Niemand wird von Iran unter Druck gesetzt, um in Syrien zu kämpfen", sagte er, und, auch auf Nachfrage: "Mir ist nicht bekannt, dass die iranische Regierung dies in irgendeiner Form unterstützen würde."
Der Außenminister machte klar, dass Iran, anders als die EU, weiterhin zu Machthaber Baschar al-Assad steht. Es dürfe nicht von außen bestimmt werden, wer Teil des Prozesses sein könne, sagte Zarif. "Es geht nicht um die Frage, wer ein Verbündeter ist und wer Gegner. Die Menschen in Syrien sollten selbst über das Schicksal ihres Landes entscheiden." Dagegen sagte die EU-Außenbeauftrage Mogherini zu SPIEGEL ONLINE: "Ich glaube nicht, dass Assad ein Teil der Zukunft dieses Landes sein wird."
Kämpferisch konterte Zarif Kritik an der Missachtung der Menschenrechte in Iran. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte unlängst berichtet, dass 2015 fast tausend Menschen in dem Land hingerichtet worden seien, so viele wie seit 20 Jahren nicht. "Menschenrechte sind für uns alle wichtig", sagt Zarin ungerührt, er betont "alle". "Wir sind besorgt darüber, wie die muslimische Jugend und muslimische Gemeinschaften in westlichen Gesellschaften an den Rand gedrängt werden."Zarif verspricht hohe Gewinnmargen
Zarif weiter: "Es ist alarmierend für mich zu sehen, dass Leute, die in Irak und Syrien Menschen köpfen, ohne Akzent Englisch und Französisch sprechen." In dieser Frage brauche es eine Menge "Soul-Searching" in Europa." Zarif verurteilte Satire wie die der französischen Zeitschrift "Charlie Hebdo": Die Meinungsfreiheit gebe nicht das Recht, eine Atmosphäre zu schaffen, in der Muslime ihre Religion nicht mehr in der Öffentlichkeit ausüben könnten.
Man könnte lange streiten über die Vergleiche, die Zarif macht, vielleicht aber auch über manche westliche Überheblichkeit. Aber am Ende, man muss es so schnöde sagen, geht es beiden, Europäern und Iranern, an diesem Tag vor allem darum, die Grundlage für gute Geschäfte zu legen. Zarif weiß das selbstverständlich. "Die Gewinnmargen in Iran", sagt er lächelnd während des Interviews, "sind derzeit wahrscheinlich sogar die besten in der Welt."
Zusammengefasst: Irans Außenminister Mohammad Javad Zarif möchte, dass die Aufhebung der Sanktionen gegen sein Land schnell Früchte trägt. Die moderaten Kräfte im Land bräuchten diesen Erfolg, sagt er im Interview mit SPIEGEL ONLINE. Die USA sollten sich bei den Geschäften heraushalten. Iran steht weiter hinter dem syrischen Machthaber Assad, machte Zarif deutlich. In Fragen der Menschenrechte betonte der Außenminister die Verantwortung aller Staaten. Zugleich verspricht er hohe Gewinnmargen bei Investitionen in sein Land.
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