Zwei muslimische Schüler wollten ihrer Lehrerin nicht die Hand geben. Einer von beiden soll Videos des "Islamischen Staats" verbreitet haben. Nun hat sich die Jugendanwaltschaft eingeschaltet.
Seit Tagen diskutiert die Schweiz über zwei muslimische Schüler, die ihrer Lehrerin aus religiösen Gründen nicht die Hand geben wollten. Um zu vermeiden, dass die Situation eskaliert, erlaubte der Schulleiter den 14 und 15 Jahre alten Brüdern aus Syrien, die Lehrerin nicht mit Handschlag begrüßen und verabschieden zu müssen.
Mittlerweile hat sich die Jugendanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft in den Fall eingeschaltet. Sie prüft, ob einer der beiden Jungs Propagandamaterial der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) auf seiner Facebookseite verbreitet hat. Das Boulevardmedium "Blick" hatte darüber berichtet. Mittlerweile sind die Seiten der Brüder, deren Namen SPIEGEL ONLINE bekannt sind, gelöscht. Zuvor hatte es bereits Berichte darüber gegeben, dass die Brüder in einem streng religiösen Umfeld aufgewachsen sind.Es wird nun untersucht, ob sich die minderjährigen Schüler mit dem Teilen der Videos strafbar gemacht haben. "Wir sind da dran, wir schauen uns die Videos an und wir behalten die Jugendlichen im Sinne unseres Präventionsauftrages im Auge", sagt Jugendanwalt Lukas Baumgartner von der Jugendanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft. Er gibt allerdings zu bedenken: "Jugendliche posten unglaublich viel, vieles fällt unter die freie Meinungsäußerung."
Wenn einer der Jungen Videos verbreite, in dem eine IS-Fahne auftauche oder Dschihadisten vom Kampf des IS für eine bessere Welt erzähle, dann sei das nicht gut, aber auch kein Fall für das Strafrecht. Bei Filmen von Enthauptungen sei diese Grenze etwa überschritten, sagt Baumgartner. In diesem Fall könnte es sein, dass die Jugendanwaltschaft Kontakt zu den zwei Brüdern aufnimmt und sie vorlädt. Bislang ist das nicht geschehen.
Streng islamisches Umfeld
Auch der Strafrechtsprofessor an der Universität St. Gallen, Marc Forster, bezweifelt, dass es zum Verfahren kommt: "Das bloße Posten von IS-Videos auf Facebook ist noch keine strafbare IS-Propaganda", sagte er dem Magazin "20 Minuten". "Üble IS-Videos mit extremen Gewaltdarstellungen" seien jedermann im Internet zugänglich. Aus diesem Grund sei das Herunterladen und Posten wenig strafwürdig.
Der "Tagesanzeiger " berichtet indes, dass sich die zwei Brüder, die aus Syrien stammen, in einem streng islamischen Umfeld bewegen. Sie besuchen dem Bericht zufolge die islamische König-Faysal-Stiftung in Basel, in der ihr Vater das Freitagsgebet predigt. Der Geschäftsführer der Moschee, Nabil Arab, sagte der Zeitung: "Wir leben nach dem Vorbild des Propheten Mohammed." Dieser habe nie Frauen berührt außer die eigenen.
Einem Professor der Uni Bern zufolge wird die Lehre der Fayal-Stiftun Faysal-Stiftung als "fundamentalistisch" bezeichnet. Weiter heißt es: Der Versuch, so zu leben wie Prophet Mohammed, entspringe einer sehr konservativen Vorstellungswelt.
"Mit der Weigerung der Jugendlichen, der Lehrerin die Hand zu geben hat sich der politische Islam manifestiert und die Lehrerin und der Schulleiter konnten die Zeichen nicht richtig lesen", sagt Saïda Keller-Messahli, Präsidentin des Forums für einen Fortschrittlichen Islam.
Falsch, sich vor dem Konflikt zu scheuen
Es sei grundsätzlich falsch, solchen plötzlich auftauchenden und religiös begründeten Begehrlichkeiten nachzugeben und sich vor dem Konflikt zu scheuen. Hier hätte es mehr Konfliktfähigkeit seitens der Verantwortlichen gebraucht. Keller-Messahli fordert: Es sei Aufgabe der Politik die Trennung von Staat und Religion konsequent zu verteidigen.Der Schulleiter Jürg Lauener steht indes zu seiner Entscheidung. Der TV-Sendung "10 vor 10" des Schweizer Fernsehens und Rundfunks (SRF) hatte er gesagt, er habe nicht einfach nachgegeben, sondern einen Kompromiss geschlossen.
Die zuständige Schulbehörde hat sich ebenfalls in den Fall eingeschaltet: Es sei zu prüfen, ob Verhaltensregeln oder die Religionsfreiheit höher wiege. Die Schule in Therwil brauche jetzt eine rechtliche Einschätzung.
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