Iraks Milizen machen Fortschritte im Kampf gegen den "Islamischen Staat". Doch das politische System steht kurz vor dem Kollaps. Das Geld, das man braucht, um die Terrormiliz zu stoppen, könnte bald ausgehen.
Die jüngsten Sitzungen des irakischen Parlaments sind nicht gut gelaufen. Zuerst bewarfen sich Abgeordnete mit Wasserflaschen. Dann flogen die Fäuste.
Die Sitzung am Mittwoch musste vorzeitig abgebrochen werden. Ein paar Dutzend Parlamentarier verlassen das Gebäude erst gar nicht mehr. Sie befinden sich seit Tagen im Sitzstreik.Die Zustände im Parlament belegen die politische Krise im Irak: Das bisherige System steht kurz vor dem Kollaps. Nicht nur das Abgeordnetenhaus ist blockiert. Der Streit dort hatte sich entzündet an der Regierungskrise. Premierminister Haider al-Abadi will das korrupte politische System reformieren und ein Technokraten-Kabinett ernennen. Doch mit diesem Plan hat er viele gegen sich aufgebracht.
Dieser Streit kommt für den Irak zu einem besonders ungünstigen Zeitpunkt: Das Land befindet sich im Kampf gegen die Terrororganisation "Islamischer Staat", die noch immer weite Teile besetzt hält, darunter die Millionenstadt Mossul. Nach einigen Erfolgen ist der Vormarsch von irakischer Armee und Milizen gegen den IS ins Stocken geraten.
"Der Konflikt, der das Parlament blockiert, könnte die Arbeit der Regierung behindern und die heroischen Operationen, um unsere Städte und Dörfer zu befreien", warnte Premierminister Abadi am Donnerstag.
Im Kampf gegen den IS ist das irakische Militär allein immer noch zu schwach. Die irakische Regierung ist daher auf die Hilfe ethnischer und konfessioneller Milizen angewiesen, die nicht bei allen Irakern auf Zustimmung stoßen. Die Milizen treten immer selbstbewusster auf und versuchen, die Regierung vor sich herzutreiben. Zuletzt ließ der einflussreiche schiitische Geistliche Muqtada al-Sadr seine Anhänger wochenlang einen Sitzstreik direkt vor Bagdads Regierungsviertel abhalten.
Obendrein ist der Irak ist wegen des niedrigen Ölpreises nahezu pleite. Derzeit verhandelt die irakische Regierung mit dem Internationalen Währungsfonds über Milliardenkredite, an die ein hartes Reformprogramm geknüpft wäre, das Proteste hervorrufen könnte.
Bagdad hat schon länger seine Überweisungen an die irakisch-kurdische Regionalregierung eingestellt, woraufhin diese kurzerhand zwei Depots der irakischen Zentralbank beschlagnahmte. Trotzdem musste die irakisch-kurdische Regierung ihr Budget auf die Hälfte zusammenstreichen.
Auch die Peschmerga müssen sparen
Das Sparprogramm könnte den Kampf gegen den "Islamischen Staat" erschweren. Der Vize-Premierminister Kurdistans, Qubad Talabani, warnte diese Woche bereits, die irakischen Kurden könnten es sich bald nicht mehr leisten, sich an der Offensive zu beteiligen. In den vergangenen Monaten strich die Regionalregierung die Löhne des öffentlichen Sektors zusammen, darunter die der Peschmerga-Kämpfer.
Möglicherweise hat die Wirtschaftsmisere auch die Flucht aus dem Irak beschleunigt: Im März fanden sich im Flüchtlingslager von Idomeni einige Ex-Beamte, die sich wegen der ausbleibenden Löhne auf den Weg nach Europa gemacht hatten.Dass es dem Irak gelingt, die Krisen bald zu überwinden, gilt als eher unwahrscheinlich. Abadis bisher vergebliche Reformversuche zeigen, wie schwierig es ist, dieses System nun zu ändern, nachdem ein Großteil der derzeitigen politischen Elite davon ein Jahrzehnt profitierte.
Das politische System, das nach der US-Invasion 2003 im Irak errichtet wurde, beruht auf Quoten nach Ethnie und Religion. Es hat den Klientelismus befördert und die zunehmende konfessionelle Spaltung des Landes. Der Konfessionalismus wiederum hat den Nährboden bereitet, auf dem sich der IS ausbreiten konnte.
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