Waren Offshore-Geschäfte bei der Berenberg Bank Alltag? Nein, sagt Institutschef Peters. Doch Ex-Mitarbeiter warnten schon 2013 vor solchen Deals - und wurden entlassen.
Geschäfte mit Offshore-Firmen und der panamaischen Kanzlei Mossack Fonseca waren bei der Hamburger Privatbank Berenberg offenbar weiter verbreitet als bislang bekannt. Das zeigt eine Recherche von SPIEGEL und Frontal21. "Offshore-Geschäfte waren Tagesgeschäft in Hamburg", sagt eine ehemalige Mitarbeiterin. "Immer wieder wurden Konten für Offshore-Gesellschaften eröffnet, auch für Panama-Gesellschaften von Mossack Fonseca."
Das steht im Kontrast zu Aussagen von Hans-Walter Peters, dem Chef der Berenberg Bank und frisch gekürten Präsidenten des Deutschen Bankenverbandes. Er sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" ("FAS"): "Es war und ist nicht unser Geschäftsmodell, an der Gründung von Briefkastenfirmen mitzuwirken."Zwei Mitarbeiterinnen der Compliance-Abteilung, welche die Einhaltung von Gesetzen überwachen soll, hatten Berenberg und die Finanzaufsicht BaFin bereits 2013 vor Geschäften mit Offshore-Gesellschaften in Panama und anderen Ländern gewarnt. In einer umfangreichen Beschwerdeschrift heißt es, das Geschäftsmodell der Bank habe unter anderem darauf basiert, den Zahlungsverkehr "für Offshore-Gesellschaften durchzuführen, darunter auch viele Briefkasten- und Scheinfirmen, die mit Strohmännern aufgesetzt wurden". Die Bank habe es unterlassen, die Herkunft des Geldes zu klären und die Kunden gründlich zu überprüfen. Statt mit ihrer Beschwerde auf Gehör zu stoßen, wurden die beiden Mitarbeiter nach eigener Aussage zunächst in einem "Sterbezimmer" isoliert und wenig später entlassen.
Berichte über den Fall gab es bereits früher, das Wirtschaftsmagazin "Brand Eins" griff ihn im März 2015 auf. Allerdings war die Verbindung von Berenberg zu Mossack Fonseca damals noch kein Thema. Ein internationales Recherchenetzwerk hat nun umfangreiche Kundendaten der Kanzlei ausgewertet und stieß dabei auf viele fragwürdige Geschäfte. Nach Angaben des beteiligten NDR scheint die Zusammenarbeit von Mossack Fonseca und Berenberg "besonders eng" gewesen zu sein, laut Äußerungen in Emails habe man mit den Hamburgern "die besten Erfahrungen" beim Einrichten von Offshore-Konten gemacht.
Ermittlungen wurden eingestellt
Die Staatsanwaltschaft Hamburg hatte nach der Anzeige zwar Ermittlungen aufgenommen, stellte diese jedoch im Juni 2015 ein, weil "keine Anhaltspunkte für konkrete Straftaten festgestellt werden konnten". Die verdächtigen Transaktionen hätten hauptsächlich Bezug zur Ukraine gehabt, "aus der jedoch keinerlei Hintergrundinformationen über die betreffenden Geschäfte erlangt werden können".
Die Compliance-Mitarbeiterinnen waren nach eigener Aussage durch Recherchen und Medienberichte auf ein großes Geldwäschenetz aufmerksam geworden, das in schwere Korruptionsfälle der ukrainischen Regierung verwickelt sein sollte sowie "in Drogengeldwäsche für mexikanische Kartelle, in illegale Waffenlieferungen an Terroristen in den Süd-Sudan, in Anlagebetrügereien in den USA und in den größten Steuerbetrug und Firmenraub in Russland".
Das Netzwerk trug den Namen "Vanagels-Connection" - benannt nach Erik Vanagels, der immer wieder als Direktor, Geschäftsführer oder Eigentümer auftauchte. Insgesamt gehörten Vanagels auf dem Papier Tausende Firmen - dabei handelt es sich bei dem Mann offenbar um einen alkoholkranken Obdachlosen aus dem lettischen Riga, ein klassischer "Strohmann", der vermutlich ohne sein Wissen eingesetzt wurde. Die Compliance-Mitarbeiterinnen prüften nach eigenen Angaben, ob die Verbindungen bis zu ihrer Bank reichten - und stießen auf zahlreiche Konten, die zum Vanagels-Netzwerk gehörten.
Für sie war das ein weiterer Beleg dafür, dass die Bank die Identität ihrer Kunden nicht ausreichend geprüft, Mitarbeiter das interne Kontrollsystem systematisch ausgeschaltet und "gegen bankinterne Vorgaben und das deutsche Geldwäschegesetz" verstoßen hatten. Bankchef Peters sagte der "FAS": "Von den Konten, die wir führen oder geführt haben, kennen wird jeden Inhaber, die haben wir alle geprüft."Die Compliance-Mitarbeiterinnen erstatteten am 19. Juli 2013 Anzeige beim Landeskriminalamt (LKA) Hamburg. Vier Tage später unterrichteten sie die Geschäftsleiter und persönlich haftenden Gesellschafter mit einem internen Bericht über das Risiko, dass die Bank "an internationaler Geldwäsche, organisierter Kriminalität, Beihilfe zur Finanzierung illegaler Waffenlieferungen zur Unterstützung des internationalen Terrorismus" beteiligt sei.
Als Gründe für diese Risiken führten die Mitarbeiterinnen an:
- die Geschäftsausrichtung der Bank auf Offshore-Geschäfte
- die mangelhafte Umsetzung kundenbezogener Sorgfaltspflichten nach dem Geldwäschegesetz
- das fehlende Bewusstsein der Kundenbetreuer für Geldwäscherisiken
- gravierende Mängel im internen Kontrollsystem der Bank.
Was dem Bericht der Mitarbeiterinnen zufolge dann geschah, ist schwer zu glauben: Die Bank untersagte ihnen, weitere Geldwäscheverdachtsanzeigen zu erstatten. Eine Woche später wurden die langjährigen Mitarbeiterinnen in ein einsames Zimmer umgesetzt, weitere Untersuchungen verboten und der Zugang zu den IT-Systemen der Bank gekappt. Es folgten Freistellung von der Arbeit, Hausverbot und die fristlose Kündigung zum 30. September 2013.
Knappe Antwort der Kontrolleure
Bei Berenberg weist man alle Vorwürfe zurück. "Das Vertrauen in eine Bank ist das wichtigste Kapital, daher hinterfragen wir bei geringsten Zweifeln nicht nur uns selbst", sagte Bankchef Peters auf Anfrage. Deshalb habe das Institut umgehend renommierte Wirtschaftsprüfungsgesellschaften beauftragt, die erhobenen Behauptungen umfassend zu untersuchen. "Sie haben uns alle bestätigt, dass wir die gesetzlichen Anforderungen vollumfänglich erfüllen." Die Mitarbeiterinnen hätten im Laufe der Untersuchungen umfassend Gelegenheit gehabt, mit den Prüfern über ihre Vorwürfe zu sprechen. Doch warum mussten sie gehen, obwohl sie anscheinend nur ihre vorgesehene Aufgabe erfüllen wollten? Diese Frage beantwortete die Bank nicht.
Die BaFin erhielt im Oktober 2013 eine erste und im Januar 2014 eine zweite Meldung der Mitarbeiterinnen. Die Aufsicht reagierte erst im Februar 2014. "Solche Hinweise sind für mich unverzichtbar", bedankte sich ein Mitarbeiter in einem knappen Schreiben. Sollten sich relevante Sachverhalte ergeben, würden diese bei der weiteren Aufsicht beachtet. Über "Einzelheiten und Ergebnisse" dürfe man aufgrund des Kreditwesengesetzes jedoch nicht informieren. Die BaFin ließ einen Bericht zu dem Fall anfertigen, über dessen Inhalt sie sich aber nicht öffentlich äußert.
Zwar ist solche Diskretion auch in anderen Fällen üblich. Bei den Mitarbeiterinnen sorgte sie jedoch zusammen mit ihrer Entlassung für Fassungslosigkeit. "Im Vertrauen auf einen funktionierenden Rechtsstaat in Deutschland" hätten sie Ermittlungsbehörden, Gerichte und Finanzaufsicht eingeschaltet. Im Ergebnis hätten sie jedoch feststellen müssen, "dass der Rechtsstaat komplett versagt hat".
Die Mitarbeiterinnen zweifeln am Rechtsstaat
Dass Compliance-Mitarbeiter häufig einen schweren Stand haben, ist mittlerweile sogar in der Präambel zur vierten Geldwäsche-Richtlinie der EU dokumentiert. "Es hat bereits eine Reihe von Fällen gegeben, in denen Angestellte, nachdem sie einen Verdacht auf Geldwäsche gemeldet hatten, bedroht oder angefeindet wurden", heißt es dort. Die Mitgliedstaaten sollten "alles in ihren Möglichkeiten Stehende tun, damit Personen einschließlich Angestellter und Vertreter der Verpflichteten vor derartigen Bedrohungen oder Anfeindungen geschützt sind".
Kritiker fordern auch in Deutschland einen besseren Schutz für Compliance-Mitarbeiter. Es müsse gewährleistet sein, dass diese "auch arbeitsrechtlich geschützt sind, wenn sie tatsächlich ihrer Arbeit nachgehen", sagt Sebastian Fiedler, Vizevorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter. "Nur das kann dafür sorgen, dass auch die Bankvorstände auf diesem Weg gezwungen werden, sich an die Regeln zu halten.""Wir müssen die Stellung der Geldwäschebeauftragten stärken, sie besser schützen", fordert auch der finanzpolitische Sprecher der Grünen, Gerhard Schick. "Denn offenbar ging es der Leitung der Bank eher darum, die Mitarbeiterinnen ruhigzustellen, die das Problem benannt haben, als sich von schmutzigen Geschäften zu verabschieden."
"Frontal 21", Dienstag, 21.00 Uhr, ZDF
0 commentaires:
Enregistrer un commentaire