Eigentlich wollte die EU-Kommission den britischen EU-Gegnern vor dem Brexit-Referendum keine Munition liefern. Doch nun plant sie nach SPIEGEL-Informationen ein Verfahren gegen Großbritannien wegen seiner Lkw-Maut.
Wenige Wochen vor dem Referendum über einen Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union kündigt die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen das Land an. Der Grund: Großbritannien hatte vor zwei Jahren eine Maut für Lkw eingeführt, gleichzeitig aber die britische Kfz-Steuer für Lastwagen erheblich gesenkt.
Das Modell ähnelt also der Pkw-Maut, die Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) auf deutschen Straßen durchsetzen wollte. Die Kommission habe Bedenken, ob das britische Modell "mit EU-Recht vereinbar ist", heißt es nun in einem Schreiben des Kabinettchefs von Kommissionpräsident Jean Claude Juncker , Martin Selmayr, an Dobrindt. In dem Brief vom 13. April kündigt die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Großbritannien an.Die Ankündigung Selmayrs kommt zu einem extrem heiklen Zeitpunkt. So achtet die Kommission in Brüssel derzeit eigentlich penibel darauf, dass alle Vorhaben unterbleiben, die eine ungünstige Auswirkung auf das Referendum über den EU-Ausstieg am 23. Juni in Großbritannien haben könnten.
Der nächste reguläre Rat der Staats- und Regierungschefs, der eigentlich am gleichen Tag hätte stattfinden sollen, wurde beispielsweise auf den 30. Juni vertagt. Ein Vertragsverletzungsverfahren gegen ein britisches Gesetz ist so ziemlich das Letzte, was die Befürworter eines Verbleibs Großbritanniens in der EU rund um Premier David Cameron jetzt brauchen können.
Kommission kontert Dobrindts Vorwurf
Die Kommission sei besorgt, dass Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten diskriminiert werden, heißt es in dem Brief. "Im Laufe des vergangenen Jahres hat die Kommission dem Vereinigten Königreich mitgeteilt, dass es nicht ausreichend Nachweise erbracht hat, um diese Bedenken zu widerlegen. Deshalb bereitet die EU-Kommission in diesem Fall ein Vertragsverletzungsverfahren vor, nachdem der Austausch mit den zuständigen britischen Stellen in den vergangenen Wochen ohne Ergebnis geblieben ist."Mit dem Brief kontert die Kommission den von Dobrindt bereits mehrfach vorgebrachten Vorwurf, dass die EU-Behörde das deutsche Mautvorhaben blockiere, gegen das ähnliche Modell in Großbritannien jedoch nichts unternehme. Zuletzt war Dobrindt Anfang April in Brüssel und hatte in einem Gespräch mit Kommissionschef Juncker darauf gedrungen, dass die Behörde das Vertragsverletzungsverfahren rasch durchzieht.
Dobrindt will, dass die deutsche Maut möglichst bald vor dem Europäischen Gerichtshof verhandelt wird. Der Verkehrsminister ist siegessicher und will idealerweise noch vor der Bundestagwahl beweisen, dass das von ihm konzipierte Mautmodell mit der gleichzeitigen Entlastung deutscher Autofahrer nicht gegen europäisches Recht verstößt. Der Zeitplan gilt jedoch als sehr optimistisch.
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